SECHS WOCHEN WEG - Ein Geschäftsführer auf dem Jakobsweg
Hier bieten wir Dir einige kurze Leseproben und nehmen Dich mit auf den Jakobsweg. Viel Vergnügen und buen camino!
Das Jahr zwischen der Entscheidung, den Weg zu gehen, und dem Start, bestand weniger aus Training, sondern zunächst im intensiven Studium von Foren und Internetseiten zur optimalen Ausrüstung und vielen mehr oder weniger hilfreichen Tipps. Von Anfang war mir klar, dass ich zwar alles Notwendige dabei haben will, aber so wenig Gewicht wie möglich mitschleppen möchte. Es ist eine spannende Erfahrung, wenn man im Geschäft nach dem Gewicht von Wandersocken oder Funktions-T-Shirts fragt. Eigentlich braucht man aber auch nicht sehr viel: Rucksack, eine Wanderhose, 2 T-Shirts, einen Pullover, 3 Unterhosen, 3 Paar Wandersocken, Schlafsack, Regenbekleidung und, -schutz für den Rucksack, Zahnbürste & Co. und vor allem natürlich gute Wanderstiefel oder -schuhe. Nachdem ich beim örtlichen Fachhändler die richtigen Stiefel und den größten Teil der Ausrüstung zusammen hatte, ging ich probeweise (mit Gepäck) von meinem Wohnort Papenburg zu meinem vorherigen Wohnort in Leer. Das sind gut 25 Kilometer am Deich des Flusses Ems entlang.
Es war inzwischen Sommer geworden und die Sonne strahlte, ich cremte mich im Gesicht, am Hals und an den Armen auch gut ein und war gespannt, wie ich so mit einer durchschnittlichen Etappen-Länge zurechtkomme. Es lief hervorragend, ich machte ungefähr auf halber Strecke eine entspannte Pause und kam nach gut fünf Stunden im Ziel an. Da es so schön warm war, hatte ich die abnehmbaren Beine der Wanderhose in den Rucksack gepackt und bereute es am Ende der Etappe zutiefst. Die Sonne schien fast die ganze Zeit von hinten auf meine Waden, der leichte Wind entlang der Ems hat mich aber nicht spüren lassen, dass ich mir jetzt dort, wo ich mich natürlich auch nicht eingecremt hatte, einen deftigen Sonnenbrand eingefangen habe ... Nachts konnte ich kaum schlafen bzw. wurde wach, sobald die Decke oder irgendwas die Waden berührt.
Ich hatte gelernt: Die 25 km sind nicht so ein Problem, aber Sonnencreme und vernünftiges Einreiben gehören zum Pflicht-programm, wenn ich im kommenden Jahr unter südlicher Sonne in Andalusien starten will. Nach diesen Erfahrungen verzichtete ich auf weitere Vorbereitungen, ab und zu zog ich aber die Wanderstiefel an, wenn wir mit den Hunden unterwegs waren. Die Angst vor Blasen ist in den einschlägigen Internet-Foren allgegenwärtig und darauf habe ich gar keine Lust.
Ich mache eine Pause im Nirgendwo, belege mein Baguette mit Schinken, trinke etwas und stelle fest, dass Essen und Wasser heute nicht den erhofften Schub geben. Die Straße ist immer noch lang und weilig, es gibt immer noch keinen Schatten und mir tut alles weh. Trotzdem gehe ich im Trott weiter und irgendwann fühle ich mich so kaputt, dass ich zweimal versuche, eines der wenigen Autos, die dort fahren, anzuhalten. Nein, freundliches Winken und das Zeigen, dass man in die richtige Richtung unterwegs ist – aber Spanier nehmen keine Pilger mit. „Bist ja auch selber schuld, wenn Du über 1.000 km nach Santiago laufen willst, warum sollen wir Dich da unterstützen?“, höre ich sie in meinen Gedanken lachend sagen.
Dann ist aber der Punkt gekommen und es geht nicht mehr weiter: ich lege mich auf eine der seltenen kleinen Grasflächen, Rucksack ab, Kopf darauf und ich schlafe sofort ein. Nach 15 bis 20 Minuten werde ich wach, vielleicht auch, weil ein kleiner Transporter auf der Straße hält. Der Fahrer sieht, dass ich mich bewege, hebt den Daumen und fährt weiter ... Immerhin, sterben lassen sie einen hier wohl nicht direkt am Wegesrand. Oder wollte er nur meinen Rucksack? Nein, dafür sind die Menschen dann doch zu nett und ich denke immer erst mal positiv.
Wolfgang und ich gehen gegen 17 Uhr in die Bar im Ort und trinken zwei Bier. Dann gesellt sich noch der Niederländer zu uns, der in Montamarta im Bett über mir lag. Er stellt sich als „Toon“ (Kurzform von Antonius) vor und ist schon über 20 Caminos gelaufen. Das erzählt er so nebenbei, als wir uns immer noch wundern, warum er in einer Jeans und seinem blauen Businesshemd unterwegs ist. Ihm sei halt wichtig, gut gekleidet auf dem Jakobsweg unterwegs zu sein. Er habe aber natürlich nicht nur ein blaues Hemd mit … sondern auch noch ein weißes, um in den größeren Städten besonders gut auszusehen!
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